Fehler
Wolfgang Mesch, Saxophonlehrer und Leiter einer Jazzband, würde den Begriff Fehler am liebsten vermeiden und spricht lieber von Tönen, die mehr Reibung haben als andere. Sie werden als schräge Töne wahrgenommen, schräg, weil sie die Klangvorstellungen der Zuhörenden stören – zumindest zunächst. Barbara Pieper hat mit Wolfgang Mesch für diese Ausgabe ein Gespräch über Fehler in Jazzimprovisationen geführt. Für ihn als Jazzmusiker macht der Fehler einfach eine neue Tür auf und er fragt sich dann: „Hoppla! Wenn’s jetzt so weitergehen würde, was wäre dann?“
Reinhard Kahl, Journalist und Filmemacher, betont dagegen den Wert des Fehlers. In seinem Artikel Das Neue kommt als Fehler zur Welt zeigt er, wie wichtig der Fehler für den Prozess des Lernens ist. Er unterscheidet zwischen alten dummen Fehlern, die wir wiederholen, und neuen intelligenten Fehlern, die wir wagen. In seinem Lob des Fehlers hält er aber kein Plädoyer fürs Luschige, wie er das nennt, sondern erwähnt auch die Fehler, die besser nicht passieren sollen: etwa die eines Piloten oder Chirurgen.
Die Idee, die sechste Ausgabe der feldenkrais zeit dem Thema Fehler zu widmen, stammt von unserer Kollegin Susanne Spitzer. Wir waren überrascht, wo und wie uns überall das Thema Fehler begegnet ist, seit wir uns dafür entschieden hatten. Wie unterschiedlich mit Fehlern umgegangen wird, was überhaupt als Fehler gilt, hat uns immer wieder auf den jeweiligen Kontext verwiesen, in dem sie auftauchen. Dieser Zusammenhang von Fehler und Kontext fehlt in fast keinem der Beiträge.
Natürlich hat es uns ganz besonders interessiert, wie Feldenkrais-LehrerInnen mit dem Fehlerphänomen umgehen. Dazu haben wir alle Feldenkrais-Ausbilder und alle deutsch sprechenden AssistentInnen angeschrieben. Und wir haben in der deutschen Mitgliederzeitschrift feldenkrais forum das Thema bekannt gemacht und um Zusendungen gebeten. Unsere Feldenkrais-KollegInnen Terrence Berns, Sabina Graf-Pointner, Russell D. Delman, Christina Erni Tank und Ueli Tank gehen in ihren Texten nicht nur den Fehlern auf den Grund, sondern auch den Verhältnissen, in denen sie entstehen: Sind Feldenkrais-LehrerInnen besonders fehlerfreundlich? Was betrachten sie als Fehler, erleben sie den Fehler als Freund, als Verbündeten, oder ist er nur lästig? Denken sie in ihrer Tätigkeit als Feldenkrais-LehrerInnen überhaupt in Kategorien von richtig und falsch? Welche Rolle spielt das Scheitern beim Lernen und was bedeutet es, ein Ideal anzustreben? Und wie hat sich eigentlich Moshé Feldenkrais dazu geäußert?
Wir bedanken uns bei den AutorInnen dieser Ausgabe und freuen uns schon jetzt auf die nächsten Beiträge, die an uns geschickt werden.
Die Geschichte mit dem Nashorn – Albrecht Dürers Rhinozeros – damit fing eigentlich alles an. Bevor wir überhaupt auch nur einen einzigen Text hatten, existierte bereits diese unglaubliche Geschichte vom Panzernashorn, das seinen Weg von Indien über Portugal nach Italien fand, dann aber leider im Sturm kurz vor dem Ziel im Meer versank. Werner Kraus erzählte uns, durch welch’ seltsame Umstände dieses Nashorn dann zu seinem Horn auf dem Nacken kam – dem so genannten „Dürer Hörnchen“ – und wie dieser Fehler über Jahrhunderte hinweg in der europäischen Kunstgeschichte tradiert wurde. Das alles ist nachzulesen in Werner Kraus Beitrag Dürers Rhinozeros gleich zu Beginn in diesem Heft. Diese Geschichte hat uns so inspiriert, dass über sie die Idee für die Bebilderung zustande kam.
Das Fehlerthema hat uns RedakteurInnen wie kaum ein anderes Thema beschäftigt, gepackt, ja fast verfolgt. Es tauchte in vielen ganz alltäglichen Gesprächen mit Freunden, Verwandten und KollegInnen auf. Interessant war auch die Reaktion vieler Menschen, wenn wir erzählten, in der nächsten Ausgabe der feldenkrais zeit ginge es um das Thema Fehler. Jede/r konnte gleich etwas damit anfangen, hatte Ideen, Assoziationen und Geschichten dazu. Und natürlich jede Menge Erfahrungen! Die Beschäftigung mit dem Fehlerphänomen hat sich, keine Frage, auf die Entstehung dieser Ausgabe erheblich ausgewirkt. Ob dies wohl ein Fehler war? Die Beantwortung dieser Frage überlassen wir gerne Ihnen und wünschen viel Vergnügen beim Lesen!
Die Redaktion