Dialog
Liebe Leserin, lieber Leser,
die dritte Ausgabe der feldenkrais zeit ist dem Thema Dialog gewidmet. Wer mit der Feldenkrais – Methode bereits in Berührung gekommen ist, erinnert sich vielleicht an die besondere Art und Weise, wie sich hier ein Dialog gestaltet: getragen von Interesse und Neugierde, von Achtung und Respekt vor der Verschiedenheit der Beteiligten, von Vertrauen in die Fähigkeit des Menschen zu Selbstlenkung und Lernen.
Das Thema Dialog hat sich uns in der Redaktion als eine Bewegung von „innen“ nach „außen“ entfaltet – ähnlich einer Spirale, die sich vom Zentrum in den Raum hinein erweitert. Ausgangspunkt ist für uns die Praxis: Wie verstehen Feldenkrais – LehrerInnen ihre Arbeit? Wie gehen sie vor? Welcher innere Dialog läuft in ihnen ab, während sie eine Stunde geben? Inwieweit empfinden die KlientInnen die (Zusammen-)Arbeit mit ihren Feldenkrais – LehrerInnen als Dialog? Wie unterscheidet sich die Erfahrung, die ein/e Klient/in mit der Feldenkrais – Methode macht, von anderen Verfahren? Welche Bedeutung nimmt die Sprache ein in einem Dialog, der immer wieder auf das Nonverbale ausgerichtet ist? Inwieweit ist
dieser Dialog als ein „pädagogischer“ zu betrachten gemessen an anderen pädagogischen Konzepten und mit welchen „Wirkungen“? Die Beiträge in diesem Heft bewegen sich entlang dieser Fragen von der alltäglichen Praxis bis hinein in den gesellschaftlichen Raum:
Wir beginnen mit einer Fallgeschichte: Die Feldenkrais-Lehrerin Marianne Lacina beschreibt eine kurze Serie von drei Einzelstunden in Funktionaler Integrationâ mit einem jungen Geigenspieler und gibt dabei Einblick in ihre Denk- und Arbeitsweise.
Im Beitrag von Lena Stauber, ebenfalls Feldenkrais-Lehrerin, haben Sie Gelegenheit, der Autorin bei ihrer Arbeit mit Herrn M., einem Mann mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen, über die Schulter zu schauen und gleichzeitig Zeuge ihres inneren Dialoges während ihrer Feldenkrais – Stunden mit Herrn M. zu werden.
Die Schriftstellerin Ebba D. Drolshagen beschreibt in ihrer Eigenschaft als Feldenkrais-Klientin, wie ihre Neugierde in Feldenkrais – Gruppenstunden ebenso geweckt wird wie ihre Skepsis; wie sie mit Verwunderung das Entstehen von etwas Neuem beobachtet und Zugang zur Feldenkrais – Methode findet.
Auch Sabine Pankofer, Psychologin, schreibt aus der Sicht der Klientin – allerdings gleich zweier Verfahren: Bereits vertraut mit der Feldenkrais – Methode setzt sie ihre Feldenkrais – Stunden während ihrer Psychotherapie fort. S. Pankofer beschreibt das Ineinandergreifen und die Wirkung beider Prozesse auf ihr Selbsterleben als Zusammenspiel zweier verschiedener Kontexte – vor allem aber als inneren Dialog.
Wolfgang Kuhl setzt in seinem Beitrag den Dialog mit angrenzenden Disziplinen fort. Auch er schildert seine persönlichen Erfahrungen mit der Feldenkrais – Methode aus der Sicht des Klienten. Allerdings ist seine Absicht, zentrale Begriffe aus seiner Arbeit als Psychotherapeut den entsprechenden Vorgehensweisen in der Feldenkrais – Methode gegenüber zu stellen und so Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Verfahren zu beschreiben.
Uta Ruge, Feldenkrais-Lehrerin und Journalistin, interessiert sich in ihrem Beitrag für die Bedeutung, die Moshé Feldenkrais und der Religionsphilosoph Martin Buber Sprache und Körper zumessen. U. Ruge beschreibt Unterschiede in Ursprung, Werdegang und Denken der beiden Gelehrten. Dabei wird deutlich, dass die Uneindeutigkeit der Sprache für Moshé Feldenkrais eine Quelle des Missmutes darstellte. Martin Buber dagegen sah in der Möglichkeit des Missverstehens in der Sprache den Ausgangspunkt für das, was er das „Prinzip des Dialoges“ nannte.
Silvia Hoffmann und Norbert Klinkenberg erzählen, wie befruchtend und wesentlich für den Physiker Moshé Feldenkrais die Begegnung mit dem um einiges älteren Pädagogen Heinrich Jacoby war. Die These der AutorInnen ist, dass erst dieses Zusammentreffen Moshé Feldenkrais den Blick für die pädagogischen Wege und Möglichkeiten seiner Methode eröffnet hat. Sie stellen wichtige Fragen zur Wirksamkeit der Methode und richten einen kritischen Blick auf die Entwicklung, die die Anwendung und Verbreitung der Feldenkrais – Methode genommen hat.
Auch bei der bildnerischen Gestaltung haben wir uns vom Motiv des Dialoges leiten lassen: Titelbild und Bildbeiträge sind Arbeiten des Künstlers Ulrichadolf Namislow. Für dieses Heft schildert er Ursprung und Methode seiner Blattschöpfungen (Seite 4)
Ihre Kommentare zu den beiden bisherigen Heften ermöglichen uns RedakteurInnen und den AutorInnen ein lebendiges Gegenüber, das uns herausfordert, die Zeitschrift im Dialog mit den LeserInnen zu gestalten. Ihre Denkanstösse werden wir gerne im nächsten Heft unter der Rubrik „Leserbriefe“ abdrucken und hoffen auf Ihre Zuschriften.
In Heft 4 möchten wir die in diesem Heft begonnene Blickrichtung von innen nach außen fortsetzen und der Frage nachgehen, wie sich die Feldenkrais – Methode innerhalb eines Feldes somatischen Lernens verankert. Darüber hinaus wollen wir thematisieren, welchen Platz Feldenkrais – LehrerInnen im Dialog mit anderen Arbeitsfeldern in der Gesellschaft einnehmen (wollen).
Wir wünschen Ihnen viel Anregung und Vergnügen bei der Lektüre der neusten Ausgabe der feldenkrais zeit.
Die Redaktion