Aufrichten

Liebe Leserinnen und Leser,

Aufrichtung, aufrichten, aufrichtig sind in unserem Sprachgebrauch vieldeutig.1 Aufrichten kann heißen: aus liegender oder gebeugter Haltung in die Höhe richten, gerade- oder hochrichten, einen Kranken im Bett oder einen Gestürzten wieder auf die Beine stellen. Weiter bedeutet es errichten, aufbauen, sei es ein Baugerüst oder ein Reich (Schiller). In der Schweiz ist das Richtfest beim Bau eines Hauses die Aufrichte. Jemanden trösten ist ebenso im Wort enthalten, und an dem Zuspruch eines anderen können wir uns dann selbst aufrichten und wieder Mut schöpfen. Sogar Polstermöbel lassen sich aufrichten, also aufarbeiten. Und aufrichtig heißt nicht zuletzt: dem innersten Gefühl, der eigenen Überzeugung ohne Verstellung Ausdruck zu geben. Wir sprechen dann von einem aufrichtigen Menschen, aufrichtiger Anteilnahme, aufrichtigem Bedauern oder einer aufrichtigen Antwort.

Sportler, Tänzer, Musiker, Therapeuten, der Mann und die Frau auf der Straße, sie alle haben ihre besonderen Assoziationen und Vorstellungen zum Stichwort Aufrichtung, eng verbunden mit individueller Erfahrung, persönlicher Geschichte und dem eigenen Körper.

François Combeau stellt die Aufrichtung des Menschen in Beziehung zu unserer differenzierten Sprachentwicklung und zeigt, was das mit der Position von Kopf und Kehlkopf zu tun hat. Iris Uderstädt beschäftigt sich mit der Funktion der Augen für die Aufrichtung. Katrin Springherr führt ein Gespräch mit Angelica Feldmann und Petra Koch über den „inneren Halt“. Welche Sichtweisen zur Aufrichtung gibt es in anderen (somatischen) Methoden und welche Konsequenzen hat das für die praktische Arbeit? Antworten darauf können Sie lesen von Markus Hohl (Alexander-Technik), Anna Czimmek und Anna Tardos (Emmi Pikler-Arbeit), Moti Nativ (Kampfkünste) oder Keith Johnstone (Schauspielunterricht). Von der Vertikale richten wir den Blick weiter nach unten zu den Füßen! Über das „Getragen werden“, den Dialog mit dem Boden schreibt Ralph Strauch.

Diese wenigen Hinweise mögen Sie auch auf die anderen Autorinnen und Autoren neugierig machen. Bei allen bedanken wir uns sehr herzlich für ihr großes Engagement, das Mitteilen von persönlichen Erfahrungen, für ihre Einsichten und Denkanstöße. Ebenso bei Wolfgang Meisenheimer für die großzügige Bereitstellung seiner Zeichnungen. Am Ende steht Peter Bichsels Geschichte „Als wir noch fliegen konnten“. Wir wünschen mit diesem heiteren Plädoyer gegen die Schwerkraft anregende Lektüre!

Ihre Redaktion

1 Die folgenden Worterklärungen nach dem Duden: Deutsches Universalwörterbuch (Mannheim/Wien/Zürich 1989)

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Journal für somatisches Lernen